Tutorial: hohe Servo-Frequenzen

Hintergrund:

VStabi EVO unterstützt für die Taumelscheibe höhere Servo-Frequenzen als bisher üblich. Dank des sehr leistungsfähigen Prozessors kann die VStabi EVO den kompletten Algorithmus in einem Bruchteil einer Millisekunde berechnen, wo der Prozessor der VStabi NEO einige wenige Millisekunden benötigt. Darüber hinaus ist die Berechnung deutlich genauer.

Der Algorithmus der VStabi EVO skaliert seine Parameter so, dass die Wiederholrate keinen Einfluss auf die Flugleistungen des Helis hat, mit einer einzigen aber wichtigen Ausnahme: die Filter zur Vibrationsunterdrückung (Eingangsfilter am Sensor). 

Dieser Filter ist beabsichtigt in der Erwartung, dass höhere Frequenzen zumindest einen gewissen Einfluss auf den Regelkreis haben (schnellere Reaktion). Wenn der Vibrationsfilter auch mit der Wiederholrate skaliert würde, würde es keine Auswirkung auf das Regelverhalten geben. Wenn man einen Vorteil daraus ziehen möchte, muss die Frequenz so verändert werden, dass die Vibrationen vom benötigten Eingangssignal zu höheren Frequenzen getrennt werden.

Physik:

Einige einfache Gedanken zu Frequenzen und Zeitkonstanten, wie wir sie beim Hauptrotor von Modellhubschraubern finden: 

Angenommen, der Rotor dreht beispielsweise mit 2.000 1/min. Das bedeutet, der Rotor dreht sich alle 30 ms oder mit 33 Hz. Bei einem 2-Blatt-Kopf passiert alle 15 ms jeweils ein Rotorblatt eine bestimmte Position. Das bedeutet, wenn die Servos keine Verzögerung hätten, könnte man bereits bei maximal 66 Hz vollumfänglich steuern. Es gibt etwas Vorlauf, der tatsächlich etwas schneller passiert, aber die Zahlen sollen zum einfachen Verständnis genügen. Mit der bislang üblichen Ansteuerfrequenz von 144 Hz bewegen wir uns bereits deutlich jenseits dieser Frequenz.

Nun wird der Heli mit etwas Verzögerung reagieren, da die Aerodynamik etwas Zeit benötigt, um Druck aufzubauen, und da die Servos etwas Zeit benötigen, um ihrerseits Druck aufzubauen. Die Dämpfung verzögert zusätzlich etwas, wobei aktuelle 3D-Helis so konstruiert sind, dass sie diese Verzögerung nahezu ausschalten. Die Trägheit des Modells stellt einen weiteren Faktor dar.

Offensichtlich entsteht eine Vibrationsspitze, sobald ein Steuer-Input geschieht, und zwar in der Frequenz der Rotorumdrehung. Das ist ganz natürlich, und gilt für jeden Hubschrauber, für jedes Rotorsystem. Diese Frequenz hat für den Regelkreis praktisch keine Relevanz, wie bereits beschrieben, kann der Regelkreis nicht reagieren, bevor das 'nächste' Rotorblatt die gegebene Position (wo es Wirkung ausüben kann) wieder passiert. 

Als Folge reagieren die Servos über: sie versuchen, die Taumelscheibe und damit das Rotorsystem zu steuern, wo es noch keine Wirkung hat, indem sie versuchen, die Vibration innerhalb der nächsten Umdrehung auszugleichen. Das kann sich zu ungewolltem Oszilieren aufschaukeln, dass sich durch Eigenresonanz und harmonische Frequenzen des Hubschraubers/des Rotorsystems noch verstärken kann.

Grenzen:

Als Konsequenz leitet sich ab, dass es natürliche Grenzen bei der sinnvollen Höhe der Ansteuerfrequenz gibt. Das resultiert nicht aus der Ansteuerfrequenz selbst, sondern es hängt von der Hauprotor-Drehzahl ab, von der Anzahl der Rotorblätter, von den Servos, und von den Eigenresonanz-Frequenzen des Helis/des Rotorsystems. 

Der Eingangsfilter der VStabi EVO trennt die Vibrationen bei ungefähr 1/3 der Ansteuerfrequenz. Das geschieht nicht hart, es handelt sich um eine weiche Abgrenzung. Bei 144 Hz liegt die Trennung bei etwa 50 Hz, was sehr nahe an den oben beschriebenen Grenzen liegt. 

Tuning:

Das Anheben der Ansteuerfrequenz muss als Tuning-Prozess angesehen werden. Es geht nicht nur darum, das maximal technisch mögliche einzustellen, da die Anpassung auch einen wichtigen Parameter innerhalb des Regelkreises verschiebt. Merke: zum Regelkreis gehört auch der Hubschrauber selbst, als ausführendes Glied! Normalerweise ist der Standard-Wert bereits sehr nah am Optimum, höhere Ansteuerfrequenzen bringen nicht notwendigerweise eine Verbesserung, einfach nur weil sie höher sind.

Schlimmstenfalls kann eine Erhöhung der Ansteuerfrequenz ungewollt Vibrationen bzw. Schwingungen verstärken, was in der Folge zu einem instabilen, wobbelnden Flugverhalten des Hubschraubers führen kann. In dem Fall wurde die natürliche Grenze überschritten.

VStabi EVO bringt den Vorteil einer deutlich kürzeren Berechnungszeit, was stets eine Verbesserung darstellt, unabhängig von der Ansteuerfrequenz. Schmalere Pulse können ebenso einen Vorteil bringen, ohne unerwünschte Nebenefekte, jedoch bewegen wir uns hier in einem Bereich, wo es in der Praxis kaum bemerkbar ist.

Vorgehen:

Man beginnt immer mit 144 Hz (Grundeinstellung), und arbeitet sich Schritt für Schritt nach oben. In den aktuellen Einstellungen bieten wir jede jetzt Menge Optionen, aus denen man auswählen kann. Der Heli muss genau beobachtet werden, da bei zu hohen Einstellungen Schwingungen auftreten können, und da das Steuerverhalten spürbar leidet. Wenn das auftritt, wählt man eine Einstellungen ein oder zwei Schritte niedriger, da das Optimum bereits überschritten ist.

Das Reduzieren der Servo-Pulsbreite von 1.500 auf 750 µS bringt im Vergleich weniger als die Hälfte eines einzigen Schrittes der Wiederholfrequenz, daher ergibt eine schmalere Pulsbreite erst Sinn, wenn man mehr als 333 Hz einstellen/nutzen kann.

Schlussfolgerung:

Wir haben hier einen sehr wirksamen Parameter, um die Performance des Gesamtsystems zu steigern. Allerdings muss der Einstellprozess sorgfältig vorgenommen werden, weil hier nicht mehr=besser gilt. Es gibt ein Optimum, dass es zu finden gilt. Es kann durchaus sogar unterhalb 144 Hz liegen!

Beim Heckrotor liegt eine andere Situation vor, hier hat man eigentlich immer einen Vorteil durch die höhere Ansteuerfrequenz (und den schmaleren Puls), insbesondere dadurch, dass man nun höhere Gesamt-Empfindlichkeiten einstellen kann. Das liegt daran, das am Heck die Verzögerungen um Größenordnungen geringer sind als beim Hauptrotor.

Achtung:

Wenn Ihr Modell beim Abheben oder beim Erhöhen der Drehzahl beginnt, sich aufzuschaukeln, reduzieren Sie die Drehzahl, landen Sie sofort wieder. Seien Sie darauf vorbereitet, den Antrieb auch komplett auszuschalten und das Modell antriebslos abzusetzen (Autorotation). Reduzieren Sie die Ansteuerfrequenz _nach unten_. Im Zweifel sind 144 Hz so sicher wie immer. Tatsächlich funktionieren 144 Hz bei VStabi EVO sogar besser als früher, wegen der kürzeren Berechnungszeiten, und wegen der höheren Empfindlichkeiten, die man sehr wahrscheinlich einstellen kann!

Video Vortrag zur Rotor Live 2023 zu obigem Thema

Herzlichen Dank an Robert Galitz für die Videoaufzeichnung.